Integrales Leben
Cécile Cassini
Polarity-Therapeutin, IP-Aktivistin und Großmutter
Bedingungslose Liebe erzeugt einen Seinsraum von Geborgenheit, Verbundenheit und Sicherheit. Bedingungslose Liebe ist die höchste Form eines integralen Daseins. Sie zeigt sich vor allem auch in der Liebe zu den kleinen Dingen des Alltags.
«DIENST AN DER LEBENDIGKEIT»
Cécile Cassini hat ihre Arbeitskraft lange Zeit in den Dienst ganzheitlicher Therapien gestellt. 2001 trat sie in den Vorstand des Dachverbands Xund ein und war etliche Jahre dessen Geschäftsführerin. Mit Xund und weiteren Partnerorganisationen erreichte sie ein historisches Ziel, indem die Anerkennung von Ausbildungsgängen in Komplementärtherapie bald durch einen eidgenössischen Fachausweis wird erlangt werden können. In dieser Zeit befasste sie sich viel mit Salutogenese, der «Lehre von der Entstehung von Gesundheit» (im Gegensatz zur Pathogenese, der «Lehre von der Entstehung von Krankheit»). Ihr war dabei immer klar, dass es auch eine Salutogenese für unsere Gesellschaft braucht – ein Konzept also, welches die Gesundung der Gesellschaft auf allen Ebenen fördert, statt nur Missstände zu bekämpfen oder Auswirkungen und Schädigungen zu therapieren, welche die Gesellschaft, aber auch deren Verhältnis zur Umwelt hervorrufen.
Im «Arbeitskreis Ken Wilber», dessen monatliche Zusammenkünfte sie begeistert besuchte, kam sie in engere Berührung mit der integralen Philosophie. Als 2006 eine «Kerngruppe» gebildet wurde, die sich zum Ziel gesetzt hatte, mit «Integrale Politik (IP) Schweiz» eine neue politische Kraft zu etablieren, war sie von Anfang an aktives Mitglied und eine der treibenden Kräfte. «Die Freude daran ist bis zum heutigen Tag geblieben. Die IP ist neben meinen Enkelinnen und Enkeln das Hauptthema in meinem Leben. Für mich hat sich eine Welt geöffnet, die mir Hoffnung macht. Zuerst sah ich integrale Ansätze nur in meiner Arbeit im ganzheitlichen Gesundheitswesen verwirklicht. Durch die Arbeit für die und in der IP hat sich der Horizont erweitert, und ich sehe, wie diese Ansätze auf vielen anderen Gebieten Platz greifen.» Seit der Gründung der IP ist Cécile Cassini Vorstandsmitglied des Vereins, der sich als neue politische Kraft versteht und sowohl Bewegung wie auch Partei ist.
Lust auf Lebendigkeit
Schon als junge Frau war Cécile Cassini getrieben von einer großen Neugier gegenüber allem, was mit den Geheimnissen eines erfüllten Lebens, mit Lebenssinn und innerer Arbeit zu tun hat. Bereits mit siebzehn Jahren las sie, neben vielem anderem, Bücher über Yoga und Selbsterfahrung. Mit neunzehn Jahren heiratete sie und wurde Mutter von zwei Söhnen. «Da war ich lange Zeit durch meine Familie absorbiert, habe aber bald wieder mit Yoga und Zen-Meditation angefangen, denn ich konnte mein Inneres nicht einfach verkümmern lassen.» 22 Jahre lang war sie verheiratet. «Ich habe viel von meinem verstorbenen Mann gelernt, vor allem weil wir so gegensätzlich waren und aus unterschiedlichen Kulturen kamen.» Mit ihm führte sie das zu jener Zeit sehr renommierte Jazz-Lokal Atlantis in Basel, lernte viele interessante Menschen kennen, auch aus der alternativen Szene. Dann kam ein neuer Schritt: Im Alter von 37 Jahren entschloss sie sich zu einer Lehre als Krankenschwester. Mit 45 folgte die Ausbildung zur Polarity-Therapeutin. «Die Umstellung von der Geschäftswelt in den Beruf der Krankenschwester war ein großer Kontrast – der Wechsel von der Schul- in die Komplementärmedizin dann gleich nochmals», erinnert sich Cécile Cassini.
Als Jugendliche politisiert
Bereits als Jugendliche wurde Cécile Cassini politisiert. Ihr Vater war CVP-Großrat. Politik gehörte zum Alltag in der Familie. In Kaiseraugst aufgewachsen, war natürlich die Auseinandersetzung um den (letztlich verhinderten) Bau eines Kernkraftwerkes in dieser Gemeinde ein großes Thema. «Mein Vater war dafür, ich demonstrierte dagegen», erinnert sie sich. «Aber es waren nie Auseinandersetzungen auf dem Niveau von ‹nur ich habe recht›, beiderseits bemühte man sich, auch die Position des anderen zu verstehen.»
Eine neue Auffassung von Politik
«Wenn man ein nach integralen Grundsätzen ausgerichtetes Leben führt, kommt man automatisch zur Einsicht, dass es eine ganz neue Auffassung von Politik braucht», hat Cécile Cassini erkannt. «Die Politik muss lernen, mit verschiedenen Perspektiven umzugehen, sie muss systemkreativ werden, statt in Systemkritik zu verharren.» Im Klartext heiße dies, dass man nicht das Konfrontative «was du willst, passt mir nicht» pflegt, sondern das «wie können wir es gemeinsam besser machen?». Was bringt Cécile Cassini dazu, einen so großen Teil ihrer Zeit in die integrale Idee zu investieren und immer an vorderster Front mitzuwirken, wenn Projekte entwickelt oder Veranstaltungen geplant und durchgeführt werden? «Meine Motivation ist zuerst einmal Freude – Freude, dass ‹etwas geht› in Richtung einer Vision, die ich schon so lange in mir trage. Und ganz entscheidend: Was nützt es, wenn ich dies alles denke? Ich muss es umsetzen, will Verantwortung übernehmen.» Integrale Politik bedeute in erster Linie ‹Schulung der Bewusstheit›, erklärt Cécile Cassini. «Ich glaube, dass Integrale Politik ebenso über Projekte und Aktionen beispielhaft wirken kann wie durch eine Mitwirkung in der traditionellen Politik.» Sie erinnert in diesem Zusammenhang an die IP-Projekte ‹Schweiz in der Stille› oder ‹Schaffung eines Schweizer Bundesamtes für Frieden›. «Solche Aktionen schaffen Bewusstheit, und sie sind geeignet, zu einem neuen Denken anzuregen. Wir müssen nicht politische Mehrheiten erringen und das System umkrempeln, ganz abgesehen davon, dass unsere Kraft dazu nicht einmal ansatzweise ausreicht. Viel erfolgversprechender ist es, innerhalb des Systems ein anderes Denken zu etablieren und damit transformierend zu wirken.»
Andere politische Organisationen übernähmen auch Verantwortung und hätten auch gute Ideen, hält Cécile Cassini fest. «Das zentrale bei der IP ist, dass Innerlichkeit und Spiritualität einen hohen Stellenwert haben und dass es bezüglich Ethik keinerlei Abstriche gibt. Mir persönlich stünden politisch die Grünen am nächsten. Doch deren (zu) starke Konzentration auf die Ökologie reicht mir nicht. Ganz abgesehen davon, dass das Ökologieproblem radikal gelöst wäre, wenn eine Mehrheit unserer Gesellschaft integral denken und handeln würde.» Doch sie glaubt, dass es gar nicht zwingend Mehrheiten braucht: «Wenn nur zehn Prozent der Menschen ihre Selbstverantwortung ebenso wahrnehmen wie sie die Verbundenheit mit allen und allem spüren lernen, dann kann es plötzlich sehr schnell gehen. Ich kann mir eigentlich gar keine andere Entwicklung in der Politik mehr vorstellen als die, dass sie integral wird. Und mir ist es egal, ob ich das noch erlebe. Wichtiger ist mir, daran zu arbeiten!» Seit 2012 gehört Cécile Cassini zum Stiftungsrat der Stiftung für integrale Friedensförderung. Diese verfolgt neue Ansätze der Konflikttransformation, der interkulturellen Friedens- und Versöhnungsarbeit, und sie betreibt eine Lehrwerkstatt mit Modulen zu den vier Themen: «Frieden finden in sich selbst und in der Beziehung zu anderen», «Friedenskultur als Basis für Konflikttransformation», «Frieden fördern in Politik und Gesellschaft» sowie «Eigene Friedensideen umsetzen und verbreiten». Das zweite Modul zum Thema Friedenskultur wird von Cécile Cassini geleitet.
Besser Leben Festival
Im Herbst 2014 hat Cécile Cassini in Basel zum ersten Mal das «Besser Leben Festival» durchgeführt. An dieser großen, sehr gut besuchten öffentlichen Vernetzungsveranstaltung präsentierten sich viele jener Institutionen aus der Schweiz, die bewusst, bewegt, konkret und kreativ einen aktiven Beitrag zu integralem Leben leisten. Die Informationsveranstaltung wurde mit Vorträgen sowie mit musikalischen und tänzerischen Unterhaltungsbeiträgen zum Thema begleitet.